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Swiss Continence Foundation
Lago del Narèt, Tessin

Verletzung oder Erkrankung des Nervensystems in der Urologie

Die Neuro-Urologie beschäftigt sich mit den Erkrankungen und Funktionsstörungen der ableitenden Harnwege und der Geschlechtsorgane nach einer Schädigung der sie versorgenden Nerven.

Die Steuerung des unteren Harntrakts, der aus Harnblase, Harnröhre und Harnröhrenschliessmuskel besteht, ist komplex und benötigt die intakte nervliche Signalleitung und -verarbeitung auf peripherem Niveau durch die Nerven des Beckenbereichs sowie durch neuronale Zentren in Rückenmark und Gehirn.

Diese komplexe nervliche Versorgung ermöglicht den reibungslosen Wechsel zwischen den beiden prinzipiell gegensätzlichen Funktionen des unteren Harntraktes: 1) Speicherung des Urins in der Harnblase bei niedrigem Druck und 2) periodische, selbstbestimmte und vollständige Entleerung der Harnblase.

Auf Grund der genannten komplexen nervlichen Steuerung des unteren Harntrakts ist diese jedoch auch anfällig für Störungen und so sind sehr viele Menschen mit neurologischen Erkrankungen, Verletzungen oder Fehlbildungen wie z.B. Rückenmarkverletzung, multiple Sklerose, Schlaganfall, Parkinson-Erkrankung, Spina bifida, von einer Funktionsstörung des unteren Harntrakts betroffen. Diese Funktionsstörungen können u.a. folgende Beschwerden hervorrufen: Häufiger starker Harndrang, häufiges Wasserlassen am Tag und/oder in der Nacht, unkontrollierter Urinverlust (Inkontinenz), Verlust der Fähigkeit die Harnblase ganz oder teilweise zu entleeren, Schmerzen, Blasenentzündungen und aufsteigende Entzündungen mit Beteiligung des Nierenbeckens und der Niere.

Diese Beschwerden können nicht nur lästig sein, wenn es immer wieder zu Episoden mit überfallsartigem stärkstem Harndrang kommt, sondern die gesamte Lebensqualität derart massiv beeinflussen, dass manche Betroffene ihre 4 Wände kaum noch verlassen, aus Angst vor Harninkontinenz in der Öffentlichkeit oder dem Stress rechtzeitig eine Toilette zu finden.

Darüberhinaus können bestimmte Funktionsstörungen des unteren Harntrakts, wenn sie über einen längeren Zeitraum unbehandelt bleiben, irreversible Folgeschäden an unterem und oberen (Nieren) Harntrakt verursachen, die wiederum negative Auswirkungen auf die Lebenserwartung haben können.

Vor diesem Hintergrund stellen Diagnostik und Therapie in den Bereichen Neuro-Urologie und funktionelle Urologie einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Gesundheit und Lebensqualität von Menschen mit Funktionsstörungen des unteren Harntrakts dar.

Die Neuro-Urologie ist dabei ein noch junges, aber sehr dynamisches Spezialgebiet der Urologie das in den 1970er Jahren aus der urologischen Rehabilitation querschnittgelähmter Patienten entstanden ist. In den letzten Jahrzehnten konnten durch einen raschen Erkenntniszuwachs bereits enorme Behandlungserfolge erzielt werden. So konnte beispielsweise die Lebenserwartung nach einer Rückenmarkverletzung erheblich gesteigert werden, indem mit adequater Diagnostik und Therapie Spätfolgen (z.B. Schädigung der Nieren) einer auf Grund der Rückenmarksverletzung eingetretenen Funktionsstörung des unteren Harntraktes langfristig vermieden werden.

Da beide Geschlechter gleichermassen von Funktionsstörungen des Harntraktes betroffen sein können, werden in der Neuro-Urologie sowohl Männer als auch Frauen untersucht, beraten und behandelt.

Neuro-urologische Diagnostik erforderlich?

Für Menschen mit folgenden Problemen/Erkrankungen (Liste nicht vollständig) kann eine neuro-urologische Diagnostik, Beratung und ggf. Therapie notwendig bzw. sinnvoll sein:
 
  • Traumatische Rückenmarkverletzung
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  • Status nach Operationen an Wirbelsäule oder Rückenmark
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  • Status nach Bandscheiben-Operation
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  • Tumoren des Rückenmarks
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  • Angeborene Fehlbildung des Rückenmarks (z.B. Spina bifida)
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  • Multiple Sklerose
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  • Morbus Parkinson
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  • Status nach Schädel-Hirn-Trauma
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  • zerebrovaskuläre Erkrankung (z.B. Schlaganfall)
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  • Blasen-/Sexualfunktionsstörung nach Operationen im kleinen Becken
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  • Blasenfunktionsstörung unklarer Ursache
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Diagnose und Therapie

In der Neuro-Urologie werden folgende Erkrankungen diagnostiziert und therapiert:
 
  • Harnblasenfunktionsstörungen
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  • Störungen der Schliessmuskelfunktion
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  • Störungen der Erektionsfähigkeit
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  • Ejakulationsstörungen
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  • Störungen der Darmentleerung
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Lebensqualität erhöhen

Die Aufrechterhaltung einer natürlichen Funktionsweise der Blase ist für die Lebenserwartung von Menschen mit einer neurologischen Erkrankung von grosser Bedeutung. Die Diagnostik- und Therapiemassnahmen zielen darauf ab, sekundäre Schädigungen von Blase und Nieren zu verhindern, die Kontinenz im Alltag zu erhalten sowie Sexualfunktionsstörungen zu verbessern. Dies erhöht die Lebensqualität Betroffener entscheidend.
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